Veranstaltungsreihe von fünf Hamburger psychodynamisch-psychoanalytischen Aus- und Weiterbildungsinstituten

Adolf-Ernst-Meyer-Institut für Psychotherapie (AEMI), Michael Balint-Institut (MBI), Institut der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG), Akademie für Psychotherapie, Psychosomatik und Psychoanalyse Hamburg (APH) und Institut für Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (IfP/UKE)

Die Veranstaltungen finden an der Universität Hamburg jeweils donnerstags von 19.00 – 20.30 Uhr in der Edmund-Siemers-Allee 1, Hauptgebäude, Hörsaal M statt.

 

Flyer zur Veranstaltung

 

Titel: Abstracts zur Ringvorlesung  „Neid und Ressentiment“ SoSe 2025

Ankündigung

Es ist ja schon zu einer Tradition geworden, dass 5 Hamburger psychodynamisch-psychoanalytisch ausgerichtete Aus- und Weiterbildungsinstitute (Adolf-Ernst-Meyer-Institut; Akademie und Arbeitsgemeinschaft für Integrierte Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychosomatik Hamburg; Institut der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse; Institut für Psychotherapie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und das Michael-Balint-Institut) alle zwei Jahre eine Ringvorlesung anbieten und sich nicht nur an interessierte Kolleg:innen und Studierende, sondern auch an Bürger und Bürgerinnen der Stadt Hamburg wenden. Dieses Mal haben wir das Leitthema „Neid und Ressentiment“ ausgewählt, dass wir aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten möchten. Wir haben unser Vorlesungsformat  ergänzt durch eine Filmvorführung und eine abschließende moderierte Großgruppendiskussion zur Thematik. Im Zentrum der Veranstaltung steht die psychoanalytische Sicht auf die Phänomene Neid und Ressentiment, eingebettet in Vorlesungen aus Nachbarwissenschaften wie der Theologie, der Philosophie und der Soziologie.  Mit unserer Vorlesungsreihe möchten wir zu Nachdenklichkeit und Austausch anregen und freuen uns sehr, dass wir dafür eine Reihe renommierter Referenten und Referentinnen gewinnen konnten.

 

Abstracts

10.04.2025
"Opfer sein, Opfer bleiben – über Ressentiment, Verantwortung und die Möglichkeit zu verzeihen"

Prof. Dr. Joachim Küchenhoff
Em. Prof. für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Basel, FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker (IPA), 
Gastprofessor International Psychoanalytic University Berlin
Wer traumatisierender Gewalt ausgeliefert war, der er oder sie zum Opfer fiel, kämpft zu Recht dafür, als Opfer anerkannt zu werden, vor sich selbst und vor anderen. Sich dauerhaft als Opfer zu erleben aber ist gefährlich, es können Passivität und Groll, Neid und Rachsucht wachsen.  Diesem Risiko müssen sich auch moderne Traumadiskurse stellen und wachsam sein, um nicht einseitig Opferstatus und Ressentiment zu fördern. Täter zur Verantwortung zu ziehen, selbstverantwortlich zu handeln und sich und anderen zu verzeihen, wirken gegen die Gefahr, Opfer zu bleiben. In meinem Vortrag steht die psychotherapeutische Erfahrung im Mittelpunkt. Psychoanalytisches Denken kann darüber hinaus helfen, um gesellschaftliche Opferdynamiken besser zu verstehen.

 

24.04.2025
"Phänomenologie des Existenzialneids und seine Verbindung zum Ressentiment“ 
Prof. Dr. Ingrid Vendrell Ferran

Leiterin des Bereichs Theoretische Philosophie, Philipps-Universität Marburg
Der Vortrag widmet sich einer Extremform von Neid – dem Existenzialneid – und seiner Verbindung zum Ressentiment. Mit Verweis auf den Phänomenologen Max Scheler und andere Autoren wird gezeigt, dass der Existenzialneid eine Form des Neides ist, bei der das Subjekt die gesamte Existenz des anderen statt bloß seine Güter oder Talente beneidet. Es wird herausgearbeitet, dass der Existenzialneid durch eine Schwächung der Unterscheidung zwischen dem beneideten Gut und dem Rivalen sowie durch eine starke Konzentration auf den Neider selbst gekennzeichnet ist. Im Anschluss an die phänomenologische Tradition (Biemel 1957, Zambrano 1991) wird der Existenzialneid mit der Idee der ontologischen Möglichkeiten des Menschen verbunden. D.h. der Neider denkt kontrafaktisch, dass er das Leben des anderen hätte haben können. Er entdeckt, dass er zwar der andere hätte sein können, nun aber der Rivale die Art von Existenz verkörpert, die er begehrt. Schließlich werden die Verbindung zwischen Existenzialneid und Ressentiment und damit zusammenhängende Werteverschiebungen untersucht.

 

08.05.2025
„Neid und Ressentiment als Folgen von gesellschaftlichen Transformationsprozessen in unseren psychoanalytischen Behandlungen“
Maria Johne

Dipl.-Psych., Kinderpsychotherapeutin, Psychoanalytikerin (DPV/IPA) in eigener Praxis, Leipzig, ehem. Vorsitzende der DPV 
Im Vortrag wird den Ursachen und dem Verdrängten, die das wiedervereinigte Deutschland für viele Menschen im Osten, aber auch im Westen mit sich brachte nachgegangen. Über die Auswirkungen der Transformationszeit der 90er Jahre im Osten Deutschlands wird oft geschwiegen. Das hat bei vielen Menschen, die im Osten geboren wurden, ein Gefühl der Scham, Ostdeutsche zu sein, zurückgelassen. Um die unzähligen Wunden zu heilen, die das Ende der DDR mit dem Untergang des eigenen bisherigen Lebens mit sich gebracht hat, blieb individuell und gesellschaftlich kaum Zeit. Stattdessen haben sich Neid und Ressentiments im Lauf der letzten Jahre verstärkt, was zum Erstarken extremistischer Parteien geführt hat.  Anhand eines Fallbeispiels wird im Vortrag deutlich, wie sich diese gesellschaftlichen Entwicklungen auch in psychoanalytischen Behandlungen wiederfinden und nicht unabhängig von unserer historischen Entwicklung gesehen werden können.     

 

25.05.2025, 11.00h, Kino Abaton
„Black Swan“ - Filmvorführung mit anschließender Diskussion 
Moderation: Dr. Theo Piegler 

FA für Psychiatrie und Psychotherapie, FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, ehem. Leiter der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie  des  Agaplesion-Bethesda-Krankenhauses Hamburg-Bergdorf.
Der US-amerikanische Film Black Swan kam 2010 in die Kinos. Regisseur war Darren Aronofsky.  Thematisch geht es um die junge Ballerina Nina Sayers (Natalie Portman), deren Mutter schon Balletteuse gewesen war. Nach deren Willen soll die Tochter das schaffen, was sie selbst nie erreicht hat. Als der Leiter des New Yorker Ballettensembles von Nina  Tschaikowskis „Schwanensee“ neu inszenieren will, sieht Nina hier ihre große Chance, wenn es ihr gelingen würde die Hauptrolle zu bekommen, in der ein- und dieselbe Tänzerin den weißen und den schwarzen Schwan verkörpern soll. Was sich nun im Ensemble ereignet, ist nicht nur von viel Neid geprägt, sondern auch von allen anderen Gefühlen dieser jungen Frau, die sich nicht nur durchsetzen, sondern auch von ihrer Mutter emanzipieren möchte und muss, wenn es gelingen soll die verschiedenen Seiten der Hauptrolle, das Gute und das „Dunkle“, überzeugend darzustellen. In diesen Strudel, der bei Nina zeitweise psychotische Ausmaße annimmt, wird der Zuschauer hineingezogen. Der Film ist ein Oskar-prämiertes Meisterwerk, das gerade auch Psychotherapeuten sehr erreicht. Für die Psychoanalytiker Dirk Blothner und Ralf Zwiebel war der bewegende Film Auslöser für eine 140-seitige Publikation („Kino zwischen Tag und Traum“; 2012).“   

 

05.06.2025
 „Neid, Megalomanie und perverses Über-Ich. Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung und aktuelle gesellschaftliche Phänomene“
Prof. Dr. Heinz Weiß

Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker (DGPT, DPV/IPA), Direktoriumsmitglied des Sigmund-Freud-Instituts Frankfurt a.M.
Unbewusster Neid wirkt sich nicht nur auf die Fähigkeit zum Eingehen tiefer emotionaler Beziehungen aus. Er beeinflusst auch den Aufbau intrapsychischer Strukturen. Am Beispiel des von Melanie Klein beschriebenen „neidischen Über-Ich“ sowie der von Roger Money-Kyrle untersuchten neidischen Usurpation gesunder Über-Ich-Anteile durch ein megalomanes Ich werden unterschiedliche Über-Ich-Konstellationen miteinander verglichen. Dabei unterscheidet sich das perverse Über-Ich sowohl vom archaisch-grausamen als auch vom reifen und psychotischen Über-Ich. Es ist weniger ich-zerstörerisch als ich-verführerisch, indem es eine sogartige Wirkung auf bedürftige Ich-Anteile und gesellschaftliche Gruppen ausübt. Die zugrundeliegenden Mechanismen werden anhand kurzer klinischer Beispiele als auch an aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen illustriert.

 

19.06.2025
"Wie Gott ein Gefühl kennenlernt." Theologische Deutungen zum Neidkonzept in Genesis 4
PD Dr. Annegret Reitz-Dinse

Evangelische Pastorin für die Seelsorge Asklepios-Klinik Altona, PD für Praktische Theologie der Universität Hamburg
Was ist „Neid“ und wie entsteht er? Schon die Bibel beschreibt, dass die Erfahrung rätselhafter Zurücksetzung Kain zum Mörder seines Bruders Abel werden lässt. Moralische Gebote helfen nicht weiter. Kain wehrt das Gefühl, das ihn abwertet, in der Gewalttat ab. Er muss Verantwortung lernen und kämpft gegen ein vernichtendes Gefühl um seine Identität. Dieser Prozess involviert nun auch Gott. So festigt sich eine Beziehung unter Ungleichen, die aneinander festhalten, wodurch der Mensch Kain stärker wird. Der Vortrag zeigt aus theologischer Perspektive Deutungen eines abgewehrten Gefühls und fragt, ob die riskante Energie dieses Gefühls konstruktiv wirken kann.

 

03.07.2025

„Du bist ja nur neidisch“ - der Neid und die soziale Ordnung
Dr. Regine Scholz

Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Gruppenanalytikerin (D3G, GASI), Düsseldorf
Jede/r hat das schon einmal zu hören bekommen „Du bist ja nur neidisch“ – und vielleicht erinnern wir uns, wie sich das angefühlt hat. Das Problem ist das Wörtchen ‚nur‘, womit alles von mir vorher Gesagte und Getane entwertet und auf eine (mögliche), vor allem aber unmoralische Motivation reduziert wird. Neid ist ein sowohl schmerzhaftes als auch ein sozial wenig anerkanntes Gefühl; das begünstigt dessen Unbewusst-Machen. - Freud hat als Prototyp des Neides bekanntlich den Penisneid ausgemacht – das kleine Mädchen vergleicht sich mit dem kleinen Jungen und stellt fest, dass ihr ‚untenherum‘ etwas fehlt, das sie gerne haben möchte. Karin Horney hat dem ihr Konzept des männlichen Gebärneides entgegengesetzt. In dem Vortrag wird es darum gehen, Konzeptionen zum Neid auf gesamtgesellschaftliche Dimensionen, wie sie in der Foulkes’schen Grundlagenmatrix skizziert sind – als da sind: Gruppenzugehörigkeit, Geschlechterverhältnis, Generationenverhältnis und soziale Position - zu beziehen.

 

10.07.2025 (Raum 211, ESA West)
Gemeinsames Nachdenken über Neid und Ressentiment in einer moderierten Großgruppe
Moderation: Prof. Dr. Martin Teising

FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalytiker (DPV/IPA), em. Präsident der International Psychoanalytic University; Hersfeld 

In dieser abschließenden Veranstaltung soll die Möglichkeit geboten werden, die Eindrücke und gewonnenen Erkenntnisse aus den Vorlesungen und zum Thema insgesamt zu reflektieren und in einem moderierten Gruppengespräch emotional zu bewegen. Die assoziativ arbeitende Großgruppe ist ein wichtiges Instrument tiefer liegende Dynamiken bestimmter Themen zu erfassen, und die damit verbundenen Emotionen zu reflektieren und zu bearbeiten. Spezielle Vorkenntnisse sind nicht erforderlich, jedoch die Bereitschaft, den rein kognitiven Denkraum einmal zu verlassen und auch sich auf affektive Prozesse einzulassen.

 

Organisation

Die Vorlesungsreihe wird konzipiert und organisiert durch eine feste Planungsgruppe, bestehend aus

  • Gabriele Amelung, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin (DPG) in eigener Praxis; Vertreterin des Instituts der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse (DPG), Hamburg
  • Dr. Annegret Boll-Klatt, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychotherapie (IfP) im Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf
  • Dr. Isolde de Vries, FÄ für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytikerin in eigener Praxis; Vertreterin der Akademie und Arbeitsgemeinschaft für integrative Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychosomatik (APH), Hamburg
  • Prof. Dr. Ulrich Lamparter, FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker in eigener Praxis; Vertreter des Adolf-Ernst-Meyer-Instituts (AEMI), Hamburg
  • Dr. Andreas Sadjiroen, FA für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker in eigener Praxis; Vertreter des Michael-Balint-Institutes (MBI), Hamburg